Hast du dich schon einmal gefragt, wer in der Weihnachtszeit all die Geschenke vorbereitet, verpackt und heimlich ausliefert? Nein, nicht nur der Weihnachtsmann und das Christkind – da gibt es noch wen anderen. Jemanden, der viel kleiner ist, aber mindestens genauso wichtig: die kleinen Wurzelmännchen mit den roten Füßchen, die in der Weihnachtswerkstatt arbeiten.

Diese kleinen Wurzelmännchen sind ganz besondere Helfer. Sie haben winzige Füßchen, die immer glühend heiß sind – ganz egal, ob sie arbeiten, schlafen oder spielen. Warum das so ist? Das weiß niemand so genau. Vielleicht ist es ein Wichtel-Geheimnis. Eines ist aber sicher: Der Schnee tut ihren heißen Füßchen besonders gut! Wenn sie durch die weißen, kalten Schneewechten stapfen, zischt und dampft es manchmal sogar ein bisschen. Genau deshalb lieben die Wichtel den Schnee so sehr. Denn wenn ihre Füßchen gekühlt sind, können sie viel besser arbeiten.

Jedes Jahr helfen die Wurzelmännchen in der Weihnachtswerkstatt mit großer Freude. Es herrscht emsiges Treiben. Überall werden Geschenke verpackt, Schleifen gebunden und kleine Spielzeuge zurechtgezimmert. Es duftet nach Tannengrün und Zimt, und das fröhliche Rascheln von Geschenkpapier erfüllt die Luft.

Aber dieses Jahr die Stimmung ist getrübt. Ein leises Murmeln erfüllt die Werkstatt. Die Wichtel tuscheln miteinander, ihre roten Füßchen trappeln unruhig auf dem Boden.
„Hast du es auch gehört?“ wispert einer. „Heuer soll’s keinen Schnee geben!“
„Was? Keinen Schnee? Das gibt’s doch nicht! Wie sollen wir denn ohne Schnee auskommen?“

Die roten Füßchen der Wichtel glühen vor Aufregung heißer als sonst. Ohne den kühlen Schnee werden sie beim vielen Arbeiten kaum durchhalten. Naja, zur Not tuts auch ein Eimer mit kaltem Wasser für die Fuß-Kühlung. Aber das ist nicht das Einzige, was sie bedrückt. Sie wissen: Die Kinder lieben Schnee zu Weihnachten genauso sehr wie sie selbst. Ohne Schnee fehlt einfach etwas ganz Wichtiges für die richtige Weihnachtsstimmung.


Inmitten der allgemeinen Aufregung sitzen zwei Wurzel-Wichtel beisammen. Einer davon ist Rudi, ein fleißiger kleiner Kerl, der für sein sorgfältiges Arbeiten bekannt ist. Er hat heute schon unzählige Geschenke eingepackt und die Schleifen in perfekter Form gebunden. Poldi, der neben ihm sitzt, lässt das bunte Geschenkband in seinen Händen hin und her gleiten, ohne es wirklich zu benutzen. Arbeiten ist nicht so seins, wenn er kann, dann drückt er sich lieber.

„Also, was machen wir jetzt?“ fragt Rudi entschlossen. „Es darf einfach nicht sein, dass es keinen Schnee gibt.“
„Ach, vielleicht kommt er ja doch noch“, murmelt Poldi und zuckt mit den Schultern.
„Vielleicht? Drauf können wir uns ja nicht verlassen! Wir müssen etwas tun! Aber was?“ Rudis rote Füßchen trappeln energisch auf dem Boden.

Aus der Ecke kommt ein Räuspern. Rudi dreht sich um. Da sieht er das verschmitzte Grinsen von Tante Fanny, uralt und doch mit einem kindlichen Glitzern in den Augen. Sie deutet mit dem Finger, dass die beiden Wurzel-Wichtel zu ihr rüber kommen sollen. Rudi ist sofort total neugierig und packt Poldi am Jackenärmel und zieht ihn trotz Protest mit.

„Tante Fanny, weißt du, was wir tun können, damit es endlich schneit?“ fragt Rudi.
„So genau weiß ich das nicht“, raunt die knorrige Wichtelin. „Aber ich weiß immerhin, wer für den Schnee zuständig ist. Das ist Frau Holle!“
Nun wird doch auch Poldi aufmerksam. „Ich glaub, den Namen hab ich schon mal gehört. Aber wo ist die denn überhaupt?“, fragt er.

Tante Fanny flüstert ganz geheimnisvoll: „Frau Holle wohnt hinter dem Tannenwald. Geht den moosbewachsenen Weg entlang bis ihr auf eine Lichtung kommt. Dort findet ihr eine Felsspalte, aus der sanftes, warmes Licht leuchtet. Schlüpft hindurch und ihr seid in Frau Holles Welt.“

Rudis Augen leuchten auf. „Na also, das ist unsere Chance! Wir gehen zu Frau Holle und bitten sie um Schnee.“
Poldi stöhnt leise. „Müssen wir da wirklich hinlaufen?“
Rudi nickt bestimmt. „Ja, müssen wir. Komm schon, Poldi. Wenn wir jetzt nichts tun, bleibt Weihnachten heuer grau statt weiß.“
Widerwillig steht Poldi auf. „Na gut. Aber nur, weil ich Schnee auch ein bisschen mag …“


Und so machen sich die beiden Wurzelmännchen auf den Weg zu Frau Holle. Sie wandern durch den Tannenwald, der eigentlich tief verschneit sein sollte. Über ihren Köpfen tanzen ein paar Blätter statt Schnee, und der Wind flüstert leise Geschichten. Der Weg ist moosbewachsen und fühlt sich weich und kühlend an unter ihren kleinen roten Füßchen.

Plötzlich öffnet sich der Wald, und sie stehen auf einer Lichtung. Und da – genau wie Tante Fanny es gesagt hat – entdecken sie die Felsspalte. Ein sanftes, warmes Licht schimmert aus dem Spalt hervor, als würde es die Wurzel-Wichtel willkommen heißen.
Rudi grinst. „Da ist es! Los, Poldi, jetzt wird’s spannend!“
„Spannend oder gefährlich?“ brummt Poldi, dem doch ein bisschen mulmig ist. Aber seine Neugier ist geweckt.

Rudi zögert nicht lange. Er schlüpft durch die Felsspalte, und Poldi folgt ihm mit einem tiefen Seufzen. Kaum sind sie hindurch, spüren sie eine angenehme Wärme. Vor ihnen öffnet sich eine neue Welt: Frau Holles Welt.

Rudi und Poldi stehen in einer zauberhaften Winterlandschaft. Der Schnee glitzert hier heller als überall sonst, und die Luft duftet nach frisch gebackenen Keksen und Tannennadeln. Sanft rieseln glitzernde Flocken herab, obwohl kein einziger Windhauch zu spüren ist. Der Schnee an ihren Füßchen beginnt leise zu zischen.

„Wow“, flüstert Rudi ehrfürchtig. Seine roten Füßchen zappeln vor Aufregung.
Poldi schnappt nach Luft. „Das ist ja … wunderschön!“ Selbst sein sonst übliches Grummeln verstummt.

Da hören sie ein leises Lachen. Sie drehen sich um, und vor ihnen steht eine Frau mit schneeweißem Haar und einer weichen, silbernen Schürze. Ihre Augen funkeln freundlich, aber auch ein bisschen streng. Es ist Frau Holle.

„Na, wen haben wir denn da? Zwei kleine Wurzel-Wichtel mit roten Füßchen?“ fragt sie schmunzelnd.
Rudi tritt mutig vor. „Ja, Frau Holle. Wir sind Rudi und Poldi. Wir brauchen dringend deine Hilfe. Es soll zu Weihnachten keinen Schnee geben, und ohne Schnee … naja, ohne Schnee wird alles einfach nicht so schön.“

Frau Holle nickt verständnisvoll. „Ich weiß, meine Lieben. Aber der Schnee rieselt nur, wenn jeder bereit ist, seine Aufgabe zu erfüllen. Zu glauben, die anderen werden es schon richten, reicht da nicht aus.“ Ihr Blick wandert zu Poldi, der nervös an seiner Jacke nestelt.
„Ihr müsst mir helfen“, fährt Frau Holle fort. „Der Schnee kommt nicht von alleine. Es gibt Arbeit zu tun. Seid ihr bereit?“
„Natürlich! Was sollen wir machen?“ Rudis Füßchen trappeln erwartungsvoll.

„Gut“, sagt Frau Holle. „Rudi, du wirst mir helfen, die Betten auszuschütteln, damit die schönsten Schneeflocken fallen können. Und du, Poldi“, sie sieht ihn mit hochgezogener Augenbraue an, „du kannst mir dabei helfen, die Schneeflocken zu sortieren.“
Poldi schluckt. „Äh … klar. Sortieren. Das kann ich.“
Rudi hüpft vor Freude. „Betten ausschütteln – das wird lustig!“ Er kann seine kleinen roten Füßchen gar nicht mehr still halten.

Frau Holle führt die beiden Wichtel zu einem riesigen Bettgestell aus hellem Holz. Die Bettdecken sind flauschig und weiß wie Wolken, und sie scheinen förmlich darauf zu warten, geschüttelt zu werden.
„Hier, Rudi“, sagt Frau Holle und zeigt auf die Decke. „Greif kräftig zu und schüttel so lange, bis die Flocken tanzen.“
Rudi packt die Bettdecke mit beiden Händen, zieht sie hoch und schüttelt mit voller Kraft. Und tatsächlich – aus der Decke wirbeln sofort glitzernde Schneeflocken hervor. Sie schweben sanft zu Boden, während Rudi ein breites Grinsen im Gesicht hat.

Doch Poldi steht nur daneben und rührt sich nicht. Frau Holle dreht sich zu ihm. „Und du, Poldi, hier sind die Schneeflocken. Sortiere sie schön nach Größe, damit sie gleichmäßig fallen.“
Vor Poldi schwebt ein Haufen Flocken, der in der Luft zu tanzen scheint. „Nach Größe sortieren? Also echt …“, murmelt er. Er schiebt ein paar Flocken halbherzig hin und her. Dabei schaut er immer wieder verstohlen zu Rudi, der noch immer eifrig schüttelt.

Nach einer Weile schaut Frau Holle prüfend zu Poldi. Ihre Augenbraue hebt sich. „Poldi, du hast ja kaum etwas getan“, sagt sie streng. „Wenn du die Schneeflocken nicht richtig sortierst, gibt es nur ein wildes Durcheinander. Und ohne deine Hilfe wird der Schnee auf der Erde nicht fallen.“
Poldi zuckt mit den Schultern. „Ach, das merkt doch eh keiner …“

Frau Holles runzelt grantig die Stirn. „So einfach kommst du mir nicht davon.“ Sie schnipst mit den Fingern, und plötzlich spürt Poldi, wie seine Füßchen noch heißer werden – so heiß, dass er kaum stillstehen kann.
„Au! Au! Meine Füßchen!“, jammert Poldi und hüpft auf der Stelle.
„Vielleicht hilft dir das, zu verstehen, wie wichtig deine Arbeit ist“, sagt Frau Holle ruhig. „Der Schnee kühlt nicht nur eure Füßchen – er bringt Freude und Frieden. Jeder muss seinen Teil dazu beitragen.“

Rudi sieht Poldi mitfühlend an. Ein schlechtes Gewissen breitet sich in Poldi aus. Vielleicht hatte Frau Holle ja recht. Vielleicht war es doch wichtig, seinen Teil zu tun.

Er atmet tief durch, nimmt die tanzenden Schneeflocken und beginnt, sie sorgfältig zu sortieren – große hier, kleine da, die flauschigsten in die Mitte. Es dauert nicht lange, und ein harmonisches Muster entsteht. Er wird immer besser beim Sortieren und fühlt eine tiefe Freude an dem schönen Ergebnis.

Frau Holle betrachtet zufrieden das Werk der beiden Wurzelmännchen. Rudi schüttelt die Bettdecken mit einem Tempo, das sogar Frau Holle ein anerkennendes Nicken entlockt. Poldi sortiert die Schneeflocken inzwischen mit erstaunlicher Sorgfalt. Die großen, flauschigen Flocken tanzen bereitwillig in ihre Gruppen, und die kleineren wirbeln wie winzige Sterne umher.

„Jetzt passt alles“, sagt Frau Holle mit einem warmen Lächeln. „Ihr habt eure Aufgaben gut gemacht. Auch du, Poldi. Manchmal braucht es nur einen kleinen Ruck.“
Poldi grinst schief. „Und ein paar heiße Füßchen.“
Dann wischt er sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und grinst. „Puh, das war anstrengender, als ich dachte. Aber es hat sogar ein bisschen Spaß gemacht.“
Rudi lacht und klatscht seinem Freund auf die Schulter. „Siehst du, Poldi? Gemeinsam kriegen wir alles hin!“

Frau Holle erhebt die Arme, und ein sanfter Windhauch weht durch den Raum. „Jetzt ist es soweit. Bereit, den Schnee zu den Kindern zu schicken?“
Die beiden Wurzelmännchen nicken eifrig. Ihre roten Füßchen zappeln vor Aufregung.

Mit einer eleganten Bewegung schüttelt Frau Holle ihre Hände, und ein wahrer Sturm aus funkelnden Schneeflocken schießt in die Höhe. Durch eine Öffnung im Dach wirbeln die Flocken hinaus in die Welt. Sie glitzern und tanzen, als würden sie sich über ihre Reise freuen.

Rudi und Poldi eilen zur Tür im Felsen und schauen staunend hinaus. Vor ihren Augen beginnt es zu schneien – zuerst nur ein paar Flocken, dann immer mehr, bis der ganze Himmel voller tanzender Sterne ist.
„Schau mal, Rudi! Es funktioniert!“, ruft Poldi begeistert.
„Ja, und schau dir unsere Füßchen an!“, lacht Rudi. Der kalte Schnee rieselt herab und kühlt ihre glühend heißen Füßchen. Ein leises Zischen begleitet das Schauspiel, und die beiden seufzen vor Erleichterung.

Frau Holle tritt neben sie und legt ihnen sanft die Hände auf die Schultern. „Vergesst nie: Jeder von euch hat eine Aufgabe, und jede Aufgabe zählt. Auch die kleinste Arbeit trägt zur Freude aller bei.“
Poldi nickt ernst. „Das hab ich jetzt verstanden.“
„Gut so“, sagt Frau Holle und zwinkert ihm zu. „Ihr könnt stolz auf euch sein.“

Mit einem dankbaren Lächeln verabschieden sich Rudi und Poldi von Frau Holle. Die Felsspalte schließt sich hinter ihnen, und sie stapfen durch den verschneiten Tannenwald zurück zur Weihnachtswerkstatt.

Dort fallen dicke, glitzernde Schneeflocken vom Himmel. Die anderen Wichtel jubeln und tanzen durch den Schnee. Poldis Herz fühlt sich ganz warm an, als er sieht, wie sich seine Freunde freuen. Und noch mehr, wenn er sich vorstellt, wie nun auch die Kinderaugen leuchten werden. Er weiß nun, dass auch die kleinste Aufgabe wichtig ist.

Rudi und Poldi schauen sich an und ihre roten Füßchen trappeln vergnügt im frischen Weiß. Weihnachten ist gerettet!