Eine kleine Weihnachtsgeschichte

Schon wieder diese klitzekleinen Vertiefungen am verschneiten Fensterbrett! Was kann das sein? Sieht aus wie lauter kleine Fußstapfen. Aber von wem sind die? Wer hat so kleine Füßchen?

Das kann ich dir sagen … Diese Fußstapfen stammen von den Wurzelmännchen, die in den Baumwurzeln ihre Wohnhöhlen haben. Wurzelmännchen sind Verwandte der Heinzelmännchen. Manchmal helfen sie wie die Heinzelmännchen und lösen so ganz versteckt die Probleme der Menschen. Sie treiben aber auch gerne Schabernack. Und dafür haben sie sehr viel Zeit. Arbeiten müssen sie nämlich nur rund um die Weihnachtszeit herum. Da helfen sie Christkind und Weihnachtsmann beim Herstellen, Verpacken und Verteilen der Geschenke. Du kannst es dir sicher schon denken: auch mit den Weihnachtswichteln sind die Wurzelmännchen verwandt.

Fridolin, auch Dolli der Schmolli genannt, sitzt gerade in der Weihnachtswerkstatt und grummelt wie so oft vor sich hin. Er hat keine Lust, die Geschenke einzupacken. Überhaupt geht ihm Weihnachten fürchterlich auf die Nerven. Tagelang sitzt er in der muffigen Werkstatt und verpackt ein Geschenk nach dem anderen. Bei den Häusern der Menschen, die die Geschenke bekommen, war er noch nie. Er will auch gar keine Geschenke austragen, da weigert er sich immer.

Felix, der Glückskeks, kommt in die Werkstatt. Mit einem Strahlen auf dem Gesicht tanzt er auf seinen roten kleinen Füßchen geradezu durch die Türe. „Ich liiiieeeebe Weihnachten!“ singt er und dreht noch eine Pirouette.

„Ach lass mich doch in Ruhe mit deiner guten Laune. Weihnachten ist einfach blöd. Ich bin froh, wenn es vorbei ist!“ grunzt Schmolli aus der Ecke.

„Oje, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“ will Felix wissen.

„Ich packe hier seit Tagen ein Packerl nach dem anderen ein. Sie sehen alle mehr oder weniger gleich aus. Das ist echt fad.“

„Aber die schönen Dinge, die du da verpackst! Ich stell mir immer vor, wie sich die Menschlein freuen, wenn sie die Geschenke auspacken und schon macht mir die Arbeit Spaß“, entgegnet Felix.

„Außerdem liegt der Schnee so hoch und es ist so mühsam, von zu Hause in die Werkstatt zu kommen“, meint Schmolli.

„Da hast du schon recht. Aber er funkelt so schön. Und die Flocken tanzen so lustig durch die Luft, wenn sie vom Himmel fallen. Und außerdem tut der kalte Schnee unseren immer heißen roten Füßchen doch wirklich gut.“

Schmolli grummelt weiter: „Angeblich ist Weihnachten so schön. Sagt zumindest das Team der Geschenkausträger. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Mitbekommen tu ich jedenfalls nichts von der Weihnachtszeit. Ich arbeite da ja rund um die Uhr.“

„Aber dafür hast du den ganzen Frühling, Sommer und Herbst so viel Zeit, um auf den Wiesen zu spielen und durch den Wald zu toben. Aber heißt das, du warst noch gar nicht in den Häusern der Menschen und hast noch nie gesehen, wie schön Weihnachten ist?“ fragt Felix.

„Nein, war ich nicht. Will ich auch nicht. Offenbar wimmelt es da nur so von Hunden und Katzen, die uns Wurzelmännchen jagen. Das brauch ich echt nicht“, meint Schmolli.

Felix schüttelt belustigt den Kopf: „Wo du diese Geschichten her hast! Die wollen ja nur mit uns spielen und kuscheln. Außerdem haben sie so ein weiches, warmes Fell. Also ich mag die.“

Schmolli beharrt auf seiner Meinung. „Trotzdem ist Weihnachten doof. Schon mein Papa konnte Weihnachten nicht leiden. Ihn hat sogar einmal ein Igel beim Geschenke-Austragen in den Fuß gebissen! Danach hatte er um die Weihnachtszeit immer Angst vor Igeln und Geschenken.“

„Und weil dein Papa ein schlechtes Erlebnis zu Weihnachten hatte boykottierst du jetzt deine einzige wichtige Aufgabe im Jahr und diese wunderschöne Zeit?
Wir haben den schönsten Job der Welt! Komm, ich zeig dir, was ich an Weihnachten so schön finde!“ Und flugs ist Felix draußen bei der Tür.

Eigentlich mag Schmolli ja gar nicht mit, aber ein bisschen neugierig ist er dann doch. Also geht er zur Tür und schaut vorsichtig hinaus. Da packt ihn Felix am Ärmel und düst los, Schmolli stolpert verdutzt hinterher.

Es ist schon finster, trotzdem funkelt der Schnee im Mondschein und knirscht unter ihren klitzekleinen roten Füßchen. In der Ferne ist es ganz hell. Als die beiden näher kommen, kann Schmolli erkennen, dass das Licht aus den Fenstern der Häuser kommt. Viele davon sind mit Lichterketten geschmückt. Es stehen sogar leuchtende Rehe und Sterne in den Vorgärten. Schon schön irgendwie.

Felix steuert zielgerichtet auf eine weiße Eingangstüre zu. Kurz davor bleibt er plötzlich stehen und Schmolli läuft fast in ihn rein. Felix hält den Finger vor die Lippen „Psssst, ab hier müssen wir ganz still sein. Die Leute dürfen uns nicht entdecken. Sie wissen nicht, dass es uns gibt!“
Dann klettert er durch die Katzenklappe ins Haus.

Schmolli bleibt wie angewurzelt stehen. Eine Katzenklappe bedeutet, dass da drinnen auch eine Katze ist. Soll er da wirklich rein? Was wird er schon verpassen?
„Komm schon“ hört er Felix von drinnen flüstern. Und Schmollis Körper bewegt sich fast gegen seinen Willen ins Haus hinein.

Drinnen ist es dunkel. In der Ferne sind Stimmen zu hören. Eine ganz tiefe laute und ein paar, die heller klingen. Eine Aufregung ist in den Stimmen zu spüren. Ein süßer Keksduft steigt Schmolli in die Nase und lässt ihm das Wasser im Mund zusammen laufen.
Felix zieht Schmolli durchs Haus bis sie zu einem Türspalt kommen, aus dem ein Lichtschein in den Vorraum fällt. Felix deutet Schmolli nochmal, ganz still zu sein. Dann schlüpfen sie durch den Spalt.

Das erste, das Schmolli sieht, ist eine graue zottelige hohe Wand. Eine Katze!!!! Ihm rutscht das Herz in die Hose und er bleibt wie angewurzelt stehen. Aber die Katze schaut nur aufmerksam auf die beiden kleinen Wurzelmännchen und deutet mit dem Kopf in eine Richtung, die Felix auch sofort einschlägt. Ein paar Schritte weiter bleibt er stehen und wartet, bis sich die Katze vor ihn hingelegt hat. Dann klettert er an ihr hoch, und versteckt sich in ihrem Fell.

Soll er oder soll er nicht? „Ok, jetzt ist es ja auch schon egal“, denkt Schmolli und klettert auch auf die Katze. Oh schön, das Fell ist ganz weich und warm. Oben angekommen hat er endlich einen freien Blick in den Raum.

In der Mitte steht ein riesig großer Tannenbaum. An ihm hängen unzählige Kugeln, glitzernde Bändchen und brennende Kerzen. Unter dem Baum liegen Geschenke. Zwei davon stammen ganz sicher aus der Wurzelmännchen-Weihnachtswerkstatt. Ist das schön! So etwas hat Schmolli noch nie gesehen. Er ist so vertieft in den Anblick, dass er erst nach einigen Augenblicken die Menschen entdeckt, die beim Baum stehen.

Die zwei kleinen Menschen gehen gerade zum Baum und schauen sich die Geschenke näher an. Dann schnappt sich jeder ein Päckchen und fängt an, es auszupacken. Felix deutet auf das kleine Menschlein mit den braunen Haaren. „Das ist Hanna, sie hat sich eine Gitarre gewünscht. Und der andere ist Maxi. Der wird gleich ein Puzzle auspacken.“

Schmolli ist fasziniert von der Stimmung, die sich im Raum ausbreitet. Als die beiden Kinder endlich erkennen, was sich da in ihrem Packerl befindet, haben sie ein Leuchten in den Augen und schauen ihre Geschenke von allen Seiten genau an.
Der große Mann legt der Frau den Arm um die Schulter, sie kuschelt sich an ihn und beide freuen sich sichtlich mit den zwei kleinen Menschen mit.

„So, genug, nicht dass sie uns doch noch entdecken“, raunt Felix und zieht Schmolli von der Katze runter und sie laufen aus dem Haus.

Draußen vor dem Haus lässt sich Schmolli in eine Schneewechte fallen, und wackelt mit seinen roten Füßchen in der Luft. „Hm,“ seufzt Schmolli, das ist DOCH ein schönes Fest. Ich glaub, ich kann es mögen.“
Felix sieht seine Mission erfüllt. „Alles hat zwei Seiten, Schmolli. Du entscheidest, welche davon du sehen möchtest!“, meint er.

Seither liebt Schmolli Weihnachten genau wie Felix und weiß, er hat den schönsten Job der Welt!